«Wir machen sichtbar, dass wir ein gemeinsames Ziel verfolgen»

9. September 2022

Story teilen

Seit 2016 ist die Stadt Arbon stolze Trägerin des UNICEF-Labels «Kinderfreundliche Gemeinde». Durch die alle vier Jahre notwendige Rezertifizierung werden fortlaufend Anstrengungen unternommen, um die Rahmenbedingungen für Kinder und Jugendliche zu verbessern. Wie das im Alltag aussieht und weshalb die ganze Bevölkerung davon profitiert, erklären Mitinitiantin Regina Hiller und Projektleiter Reto Stacher im Interview.

Weshalb braucht es ein Label der UNICEF, um zu beweisen, dass die Stadt Arbon kinderfreundlich ist?

Regina Hiller: Das UNICEF-Label ist ein Signal nach aussen, dass das Leben in Arbon eine besondere Qualität aufweist. Mit der Auszeichnung «Kinderfreundliche Gemeinde» wird sichtbar, dass die Stadt und die Schulgemeinden ein gemeinsames Ziel verfolgen. Das kann für Familien, die sich nach einem neuen Wohnort umsehen, durchaus ein Anreiz sein, sich für Arbon zu entscheiden.

Reto Stacher: Durch die alle vier Jahre notwendige Rezertifizierung befinden wir uns ausserdem in einem Prozess, der regelmässige Befragungen der Kinder und Jugendlichen im Gemeindegebiet voraussetzt. Aus diesen Befragungen sind in den vergangenen Jahren bereits viele Massnahmen abgeleitet worden, die konkrete Verbesserungen und Ideen für die Steigerung der Kinder- und Jugendfreundlichkeit Arbons brachten.

Können Sie ein Projekt der vergangenen Jahre nennen, das aufgrund des UNICEF-Labels umgesetzt wurde?

Reto Stacher: Es ist eine neue Blickrichtung entstanden. Wenn in der Stadtverwaltung und in den Schulen immer auch daran gedacht wird, wie ein gewisser Punkt dazu beitragen kann, die Kinderfreundlichkeit zu steigern, ist das wahnsinnig wertvoll. In Arbon können sich Kinder und Jugendliche wie auch Erwachsene regelmässig in kommunale Entwicklungsprozesse einbringen. Ein aktuelles Beispiel ist die Mitwirkung zur Entwicklung des Schwimmbads Arbon. Die Rückmeldungen – auch von Kindern und Jugendlichen – zeigten die verschiedenen Anliegen, welche nun gemäss dem Massnahmenbericht umgesetzt werden. Dazu gehören auch kleinere Aktionen wie ein Sonnensegel oder Spielsachen für das Babybecken, die direkt bei den Bedürfnissen der Befragten ansetzen.

Regina Hiller: Es sind oft mehrere Aspekte, die bei Projekten ineinandergreifen. In den Schuleinheiten bieten wir beispielsweise Tagesbetreuungen an. Das hilft einerseits Familien dabei, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist aber andererseits auch ein wichtiger Standortfaktor, der dazu beitragen kann, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. So wird auch ausserhalb des Stadtgebietes wahrgenommen, dass Arbon in diesem Bereich viel zu bieten hat.

«Gewerbe und Stadt arbeiten hier Hand in Hand.»

Zu den Zielen des UNICEF-Aktionsplans gehört auch, die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen zu steigern. Wie funktioniert das?

Reto Stacher: Da stehen wir gewissermassen noch am Anfang, auch wenn sich bereits vieles getan hat und Kinder sowie Jugendliche bei Mitwirkungsmöglichkeiten, sofern sinnvoll, immer eingeladen werden. Es braucht mittlerweile gute Gründe, damit sie nicht involviert werden. Für die Mitwirkungen sind wir daran, Lehrerinnen und Lehrer zu gewinnen. Die Lehrkräfte können als Bindeglied agieren und die Schulkinder ermutigen, einen Workshop zu besuchen oder bei einer Online-Mitwirkung mitzumachen. Bei der Aufbereitung der Themen achten wir ausserdem auf eine altersgerechte Kommunikation. Es ist sehr spannend, wie lebendig Kinder und Jugendliche sich mit verschiedensten Themen auseinandersetzen und wie konstruktiv ihre Beiträge sind.

Regina Hiller: Wir haben schon einige gute Erfahrungen mit der Beteiligung von Kindern bei verschiedenen Projekten gemacht. Wichtig ist uns, dass das UNICEF-Label kein Lippenbekenntnis ist, sondern wir ihre Inputs auch wirklich berücksichtigen. Das kann beispielsweise bei Fragen rund um Bepflanzungen, Farbgestaltungen oder beim Ersatz von Spielgeräten für den Pausenplatz sein. Kinder bringen eine spannende Dynamik in diese Prozesse.

Was bedeutet diese Möglichkeit zur Partizipation für Kinder und Jugendliche?

Reto Stacher: Es geht bei diesem Label bei weitem nicht nur um Spielsachen im Kinderbecken, sondern um einen grösseren Kontext. Alle Beteiligten können wertvolle Erfahrungen machen. Jugendliche merken beispielsweise bei der Beteiligung an den Workshops, dass sie ernst genommen werden und Einfluss nehmen können. Wenn Kinder sich schon früh einbringen können und so die Identifikation mit ihrem Wohnort steigt, dann stehen die Chancen gut, dass sie auch als Erwachsene bereit sind, ein Ämtli zu übernehmen, oder nicht aus Arbon wegziehen. Dieser Prozess ist mindestens genauso wichtig wie die Aufwertung des Kinderbeckens in der Badi, um bei diesem Beispiel zu bleiben.

Neben Arbon wurde auch die Stadt Frauenfeld mit dem Kinderlabel der UNICEF ausgezeichnet, weitere Gemeinden und Städte im Kanton könnten folgen. Würden Sie Nachahmer-Gemeinden eine Empfehlung abgeben?

Regina Hiller: (lacht) Diese Situation ist sogar schon vorgekommen! Eine Nachbargemeinde hat uns nach unseren Beweggründen und unseren Erfahrungen mit dem UNICEF-Label gefragt. Meine Auskunft lautete ähnlich wie zu Beginn dieses Gesprächs: Dank des Labels wissen wir, wohin wir wollen und welche Anstrengungen dazu notwendig sind. Mit diesem Commitment, dem alle Beteiligten folgen, machen wir die bestehenden und neuen Qualitäten der Stadt Arbon als kinderfreundliche Gemeinde sichtbar.

UNICEF-Label «Kinderfreundliche Gemeinde

Die UNICEF will mit dem Label «Kinderfreundliche Gemeinde» die Kinderfreundlichkeit im nächsten Umfeld von Kindern und Jugendlichen gezielt fördern. Im Rahmen einer Standortbestimmung können Gemeinden mit dem Label ausgezeichnet werden. Das Label wird alle vier Jahre erneut verliehen, was der Stadt Arbon im Jahr 2020 nach der Erstzertifizierung im Jahr 2016 erfolgreich gelang.